Julia Vollmer holt zum neunten Mal den Titel auf der Landesmeisterschaft der g-behinderten Judoka in Holle
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- Veröffentlicht: Sonntag, 24. April 2016 21:44
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(we)Mit bereits 41 Jahren gewann die zweifache Deutsche Meisterin Julia Vollmer aus Großhimstedt / Kreis Hildesheim ihren neunten Landesmeistertitel. Auf 3 Wettkampfmatten ermittelten die niedersächsischen geistig behinderten Judoka ihre Landesmeister.Über 100 Judoka aus achtzehn Vereinen waren angereist.
Es sind nicht die spektakulären Würfe und Techniken, die dem Zuschauer geboten werden, aber es sind engagierte Kämpfe, die ohne großartige Strategie und Taktik geführt werden. Auch dominiert nicht die Anzahl der hochgraduierten Judoka, eher haben sie noch den Status der Anfänger. Auffällig ist auch das Fehlen der Gewichtsklassen, die Einteilung folgt ganz anderen Kriterien. Martin von der Benken, hauptamtlicher Trainer im Niedersächsischen Judoverband und außerdem zuständig für den Behindertensport im niedersächsischen Judo, übernimmt die Einteilung in kleine Wettkampfgruppen. Von zahlreichen überregionalen Trainings- und Wochenendeinsätzen kennt er sie alle und weiss sie einzuschätzen. „Ich achte darauf, dass bedingt durch die Behinderungsgrade nicht Judoka mit unterschiedlichem Leistungsvermögen gegeneinander antreten. Ich unterteile nach Männern und Frauen, sodass die Gruppen annähernd gleich gewichtet sind. Es wird vorher keiner gewogen, wobei schon darauf geachtet wird, dass die schweren und großen nicht gegen die kleinen und leichten antreten.“
Trotzdem, gekämpft wird nach dem internationalen Reglement und pro Matte sind zwei Kampfrichter im Einsatz. Es gibt die üblichen Anzeigen für die Wertungen und es werden die bekannten Listen geführt, um den Sieger zu ermitteln. Einer von ihnen ist Jürgen Bombien vom JC Garbsen. Dort leitet er selber eine fünfzehnköpfige Behindertengruppe und kennt den angemessenen Umgang mit den Behinderten. „Natürlich werten wir die Würfe, dafür wird bei den strafwürdigen Situationen keine Strafe angezeigt. Da erläutern wir, was nicht richtig ist.“ Es ist erkennbar, der Kampfrichter ist auf der Matte wie ein Betreuer, der sich um beide Kämpfer kümmert. Sehbehinderte werden von ihnen auf die Matte geführt; je nach Behinderungsgrad beginnen einzelne knieend und nicht stehend. Zwischendurch hilft er ihnen beim Aufstehen und zum Ende werden sie wieder zum Mattenrand geführt.
Besonders auffällig ist die entspannte Stimmung der Judoka und der zu spürende Spaß, gemeinsam zusammenzukommen und gemeinsam auf der Matte zu kämpfen. Natürlich waren alle aufgeregt und nervös und die Freude über den Sieg war ebenso groß wie die Enttäuschung bei einer Niederlage. „Darin sind sie alle gleich mit uns, die nicht behindert sind, aber sie sind eben nicht verbissen und haben Spaß am Judo.“ Der für die medizinische Betreuung zuständige Einsatzleiter vom Deutschen Roten Kreuz Uwe Husemann zeigte sich sichtlich beeindruckt. „So etwas habe ich in meinen 35 Einsatzjahren noch nicht gesehen. Ich kenne Judo und weiß, was üblicher Weise auf der Matte passiert. Aber das ist hier deutlich anders, eher sehr herzlich. Ich bin froh das mitzuerleben.“
Es sind aber nicht nur Behinderte auf der Matte, sondern es gibt auch behinderte Judoka, die als Trainer dabei sind. Bekannt ist der vierundvierzige jährige Marco Goldenstein, der mit einem Blindenstock am Mattenrand steht, weil er mit neun Jahren an einem Tumor erblindete und kurze Zeit später mit Judo begann. Er blieb dabei und kämpfte sogar einige Jahre für seinen Verein JC Godshorn / Hannover in der Männermannschaft sowohl in der Bezirks- als auch in der Landesliga. Heute steht er nicht mehr aktiv auf der Matte sondern trainiert eine gemischt behinderte Gruppe. Zur Seite steht ihm ein Assistenztrainer, Jannick Dahlke, der für ihn das Auge ist. Beide kümmern sich um die fünfzehnjährige Ricci Moritz, die erst seit zwei Jahren beim Judo ist. Jannick Dahlke erzählt, was er sieht und Marco ruft auf die Matte. Vor dem Kampf gab er dem Mädchen noch mal einige kurze Anweisungen. Es klappte – der Erfolg war ein zweiter Platz. Die mitgefahrene Mutter Angela Moritz ist glücklich. „Meine Tochter hat viel Selbstbewusstsein gewonnen. Sie geht jetzt vom Training allein nach Hause. Das war vorher nicht möglich.“
Fotos Ernst :
5658: Kampfrichter Jürgen Bombien hilft beim Gürtelbinden
5693: Marco Goldenstein, Ricci und ihre Mutter Angela Moritz
5694: DRK Einsatzleiter Uwe Husemann „so etwas habe ich noch nicht gesehen. Ich bin begeistert vom herzlichen Umgang“
5728: Julia Vollmer wird zum neunten Mal Landesmeisterin
Panorama von Rolf D. Frey
DiaShow: Heiko Haase