Christophe Lambert – das große Training ist jetzt vorbei
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- Veröffentlicht: Montag, 16. Juli 2012 20:04
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(we) Es verbleiben nur noch wenige Tage bis zur Abreise nach London für den Holler Judoka Christophe Lambert. Das letzte große Training, UWV im Judo-Jargon bezeichnet und heißt ganz offiziell „unmittelbare Wettkampfvorbereitung“, das im Leistungszentrum Kienbaum bei Berlin stattfand, ist für alle erfolgreich zu Ende gegangen. Wie ein Endspurt aufgezogen, sind noch mal alle wichtigen Leistungsbereiche maximal angegangen worden. Dabei wurden auch die typischen sportmedizinischen Werte aufgenommen und kontrolliert. „Ich habe mich deutlich verbessert, meine Werte sind nach oben gegangen, das fühle ich auch.“ Erzählt Christophe Lambert am Wochende auf der Rückkehr bei einer Stipvisite zu Hause in Holle und noch ein wenig müde um die Augen.
In den nächsten Tagen bis zum Dienstag, den 24. Juli passiert nicht mehr viel. „Jetzt müssen wir regenerieren und mit ein paar kleinen Trainigseinheiten aus kurzen schnellen Belastungen zusehen, dass wir unseren Trainingszustand erhalten.“ In den nächsten Tagen wird noch eine Menge intellektuelle Vorbereitung stattfinden. Die 31 Gegner sind nun fast alle bekannt und jetzt werden intensiv Wettkampfanalysen von jedem Judoka vorgenommen. Dabei helfen aktuelle Wettkampfvideos, die auch im Internet zu finden sind. In der verbleibenden Zeit für das Technik-training wird nochmal der letzte taktische Feinschliff ausprobiert.
„Unsere Vorbereitung und das Training hat schon viel früher begonnen. Die fast zweijährige Qualifikation über die Weltrangliste hat uns bereits viel eher in den Zwang gesetzt, Höchstleis-tung zu bringen. Wir waren bereits im letzten Frühjahr im Höhentrainingslager und haben es in diesem Jahr wiederholt.“
Unmittelbar nach der Nominierung Anfang April begann die letzte heiße Phase. Drei Wochen Höhentrainigslager, eine Woche Pause, dann 10 Tage mit der Nationalmannschaft spezielles Judo-Ausdauertraining, anschließend zwei Trainingswettkämpfe auf zwei Europacups und nun zum Abschluß nochmal 10 Tage für den letzten Schliff. Die Testwettkämpfe wurden sogar ge-filmt und zur intensiven Auswertung genutzt, um die letzten Fehler wegzutrainieren. „Mein gro-ßes Problem ist, dass ich noch nicht ausreichend abgeklärt bin. In kritischen Kampfsituationen werde ich emotional und handele falsch. Und dann bin ich abgegangen. Ich hoffe, dass ich mich nun verbessert habe, abgeklärter und übersichtlicher agiere und nicht hektisch werde. Wir sa-gen im Judo dazu – Linie halten.“
„Ich bin körperlich fit wie noch nie und fühle mich auch gut. Aber ob das reicht, weiß ich nicht, denn mein Gegner kann immer noch besser sein. Beim Kugelstoßen habe ich mehrere Versu-che und kann mich dann noch verbessern – im Kampf, wenn ich Ippon falle, dann ist alles vor-bei und es gibt keinen neuen Versuch.“
Es hat sich einiges seit seinen Sieg über den Welttanglistenersten, den Griechen Ilias Iliades geändert. Die internationale Fachpresse ist auf ihn aufmerksam geworden; zwei französische Judomagazine haben spezeill über diesen Kampf und über Christophe einen eigenen Artikel gewidmet. Auf dem Portal zu den Olympischen Spielen der Internationalen Judo Federation (IJF) wird im dreizehnzeiligen Intro für die Gewichtsklasse bis 90kg dieser Kampf erwähnt, dass auch Favoriten schlagbar sind. Keinesfalls will Christophe Lambert dass als besondere Favori-tenrolle verstanden wissen. „Da bin ich viel zu weit weg und meine Erfolgsliste auch viel zu harmlos. Ich habe bewiesen, dass ich auch mal einen Favoriten schlagen kann. Mich nehmen jetzt viele wahr und ich bin auf einmal nicht mehr der Unbekannte.“
Wenn er bedingt durch die Auslosung erneut frühzeitig gegen Ilias Iliades antreten müßte, wür-de er sich nicht unbedingt freuen. „Er hat den Druck, diese Niederlage wieder gut zu machen. Alle würden von ihm erwarten, dass er mich platt machen muss. Von mir wird da keiner was erwarten. Letztendlich ist das zur Zeit Spekulation. Die anderen Judoka sind auch sehr stark und genauso unangenehm; sie lösen bei mir genausowenig Freude aus. Bei den Spielen wird es keinen einfachen Gegener geben – es tritt die Elite an.“
Gefragt, ob er denn bereits aufgeregt ist, verneint er. „Ich habe zur Zeit eher eine große Vor-freude auf die Spiele. Jetzt bin ich selber dabei. Ich bin gespannt auf das olympische Dorf und freue mich natürlich riesig auf die Eröffnungsfeier, insbesondere wenn wir in das Stadion einlau-fen. Aber letztendlich wird sich dann auch nicht mehr viel abspielen. Ich werde mich voll auf meinen Tag, Mittwoch, den 1. August konzentrieren und durch nichts anderes ablenken lassen. Erst wenn wir im Judo bis zum 03. August durch sind, dann können wir den Rest der Olympi-schen Spiele genießen.“
Das Biertrinken hat Christophe zum Sieg über den Weltranglistenersten geholfen.
In verschiedenen Publikationen, selbst in den französichen Zeitung „L’esprit du Judo“ kursiert eine Geschichte, wie Christophe durch Biertringen gewonnen hat. Wir haben uns das ganze noch mal von ihm erzählen lassen:
„Nach der Bekanntgabe der Auslosung der Wettkampfliste für die Europameisterschaft war ich natürlich nicht begeistert. Es ging hier um die letzte Chance, durch eine gute Platzierung noch die Olympiaqualifikation zu erreichen und ich bekomme gleich in der Vorrunde den Weltranglis-tenersten vor die Nase. Damit war eigentlich meine Chance gleich Null. Meinem Mannschafts-kameraden Karl-Richard Frey (-100kg) ging es nicht besser. Ich bin dann mit ihm und meinen Trainern ein Bierchen trinken gegangen. Das hatte uns entspannt, vielleicht war es auch aus-schlaggebend.“ Fügte er ironisch hinzu. Und nun wird ihm empfohlen, er möge doch nach Be-kanntgabe der Wettkampfliste wieder ein Bierchen trinken...!!
Foto: Christophe in Kienbaum
Christophe Lambert im Interview
Christophe im Gespräch mit dem Altolympioniken Alecander von der Groeben (1984 und 1988)